In onore del grandissimo Claudio Abbado, che ha portato lustro all’immagine dell’Italia nel mondo, appena spentosi, ripubblichiamo qui il bell’articolo in tedesco di Corina Kolbe, in occasione degli ottant’anni del maestro.
von Corina Kolbe – Fotos: Margherita Lazzati
Wenn Claudio Abbado an das Dirigentenpult tritt, geschieht etwas Magisches, das kaum in Worten zu beschreiben ist. Mit der linken Hand, scheinbar schwerelos wie eine Vogelschwinge, formt er die Musik und lässt immer neue Nuancen entstehen.
Seine Rechte, die den Takt schlägt, ist in all ihrer Bestimmtheit doch nie autoritär. Die Musiker, erfahrene Profis ebenso wie der junge Nachwuchs, geben für ihn ihr Bestes.
Zu seinem 80. Geburtstag am 26. Juni 2013 hat das Italienische Kulturinstitut in Berlin dem Mailänder Dirigenten, Orchestergründer und Umweltschützer eine Hommage erwiesen. In einem Vortrag stellte ich dem Publikum die wichtigsten Stationen seines Lebens vor. Die italienische Fotografin Margherita Lazzati zeigte an dem Abend erstmals ihre Fotoserie ‘Musica in movimento’ mit Aufnahmen des Jubilars bei einem Konzert mit dem Pianisten Maurizio Pollini und den Berliner Philharmonikern.
Claudio Abbado, der seit Jahrzehnten in den größten Musikzentren der Welt gefeiert wird, spricht selbst nicht von einer “Karriere”, sondern von einer lebenslangen Entdeckungsreise, die ihn immer näher an die Musik heranführt.
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Grüner Rückzugsort auf Sardinien
Zum intensiven Partiturstudium zieht er sich oft in die Einsamkeit zurück, in das malerische Fextal im schweizerischen Oberengadin oder nach Sardinien. An der Westküste der Insel kultiviert er vor seinem Haus einen Garten, in dem seit Jahrzehnten Bougainvillea, Bananenstauden, Palmen, Agaven und Hibiskus in üppiger Pracht gedeihen. Mitten in diesem über Holzstege begehbaren Naturkosmos, hinter dem sich das weite Meer erstreckt, wirkt Abbados kleine Villa wie ein Baumhaus, das irgendwo zwischen Himmel und Erde schwebt.
An diesem idyllischen Ort, auf halbem Weg zwischen Italien und Spanien, trafen wir uns einmal zu einem langen Gespräch, das von Europa zu anderen Kontinenten und von der Musik zur Literatur, zum Theater, zur Kunst und zum Film führte. Schon in Abbados Familiengeschichte kommen die denkbar größten Gegensätze zusammen. Seine Mutter stammte aus Sizilien, der Vater aus Piemont im äußersten Nordwesten Italiens. Erstaunlicherweise lässt sich die Ahnenreihe ausgerechnet väterlicherseits bis zu den arabischen Mauren-Herrschern im mittelalterlichen Sevilla zurückverfolgen. Einer dieser illustren Vorfahren, Dichter-König Muhammad al-Mutamid ibn Abbad, hat Liebes- und Heldenpoesie hinterlassen, die sein Ur-Ur-Enkel viele Generationen später in Archiven entdecken wird.
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Sohn einer Musikerfamilie
Am 26. Juni 1933 in Mailand geboren, kam der kleine Claudio von Anfang an mit Musik in Berührung. Sein Vater Michelangelo, Geiger und Lehrer am Konservatorium, musizierte zu Hause mit seinen Freunden. Die Mutter Maria Carmela, Pianistin und Kinderbuchautorin, weckte in ihm die Liebe zum Klavier. “Ich bin mit den Trios von Schubert, Brahms und Beethoven aufgewachsen”, erinnert sich der Dirigent, der mit sieben Jahren in der Scala sein eigentliches musikalisches Erweckungserlebnis hatte. “Als ich Claude Debussys ‘Nocturnes’ hörte, verspürte ich sofort den Wunsch, diese Magie der Musik einmal selbst zu erschaffen.”
Nach dem Studium in Mailand und Wien erhielt Abbado Auszeichnungen bei Dirigierwettbewerben in den USA, etwa 1963 den Mitropoulos-Preis in New York. Es folgten Einladungen zu den Salzburger Festspielen, zu den Wiener und Berliner Philharmonikern und an die Scala, wo er 1968 zum Musikdirektor des Orchesters ernannt wurde. 1979 nahm er diese Position auch beim London Symphony Orchestra an und wurde wenige Jahre darauf außerdem Erster Gastdirigent in Chicago.
Anders als Arturo Toscanini, der an dem Mailänder Opernhaus wegen seiner Strenge gefürchtet war, wollte Abbado nie autoritär sein, sondern stattdessen einen Dialog mit den Musikern führen. “Das Wichtigste ist, dass alle aufeinander hören”, sagt er. Daraus entsteht für ihn auch in größeren Orchestern ein kammermusikalisches Zusammenmusizieren, bei dem jeder auf die Stimmen der anderen achtet. Wie ein Gärtner seine Pflanzen hegt der Dirigent auch seine Musiker, die sich unter seiner aufmerksamen Beobachtung frei entfalten können. Abbado kommt ohne große Worte aus, er kommuniziert vor allem durch Blicke und Gesten, um genau jenen Zauber hervorzurufen, von dem er als Kind geträumt hat.
Dies gelingt ihm besonders mit den Orchestern, die er selbst gegründet hat. Jeden Sommer tritt er mit dem Lucerne Festival Orchestra auf, das 2013 sein zehnjähriges Bestehen feiert. Bekannte Solisten und Kammermusiker, die Abbado in treuer Freundschaft verbunden sind, spielen am Vierwaldstättersee gemeinsam mit dem ebenfalls von ihm initiierten Mahler Chamber Orchestra. Besonders eng ist auch die Beziehung zum Orchestra Mozart an seinem Wohnort Bologna, das sich seit 2004 vor allem den Werken des Namenspatrons und dem klassisch-romantischen Repertoire widmet.
Stets ein engagierter Förderer junger Talente, gehörte Abbado Ende der siebziger Jahre zu den Vätern des Jugendorchesters der Europäischen Gemeinschaft (heute: Union) und gründete 1986 das Gustav Mahler Jugendorchester, das schon vor dem Mauerfall Musiker aus Ost- und Westeuropa zusammenführte. Daraus ist eine weit verzweigte Orchesterfamilie entstanden, deren Mitglieder heute weltweit in renommierten Klangkörpern anzutreffen sind.
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Wegbereiter Neuer Musik
Nicht nur als Interpret von Mozart, Beethoven, Mahler oder Bruckner hat sich Abbado einen bedeutenden Namen gemacht, sondern auch als Wegbereiter für Repertoire der Gegenwart. In den 18 Jahren an der Scala öffnete er das traditionsreiche Opernhaus für Arbeiter und Studenten. Gemeinsam mit dem Komponisten Luigi Nono und dem Pianisten Maurizio Pollini führte er Konzerte in Fabriken auf , um ein neues Publikum zu gewinnen.
Die 1982 von ihm gegründete Filarmonica della Scala, die nach dem Vorbild der Wiener Philharmoniker unabhängig vom Opernbetrieb eine eigene sinfonische Saison präsentiert, spielt nach wie vor regelmäßig Uraufführungen von Auftragswerken. Und mit dem Festival Wien Modern, das er in den achtziger Jahren als Generalmusikdirektor der Stadt und Musikchef der Staatsoper initiierte, hat er Verbindungen zwischen zeitgenössischen Kompositionen, bildender Kunst, Tanz und Film geschaffen.
Auch im wiedervereinten Berlin baute Abbado als Chefdirigent der Philharmoniker zwischen 1989 und 2002 mit seinen bahnbrechenden Themenzyklen, die etwa Prometheus, Hölderlin, Faust oder Liebe und Tod gewidmet waren, neue Brücken zwischen Konzertsälen, Theatern, Kinos und Museen. “Berlin ist für mich die weltoffenste Stadt”, sagt er noch immer.
Durch seine Grenzüberschreitungen versuchte er schon damals die Künste in alle Winkel der Gesellschaft zu tragen, lange vor den jetzt überall verbreiteten Education-Programmen. “Kultur ist ein gesellschaftliches Allgemeingut, so lebensnotwendig wie Wasser“, erklärte er vor einiger Zeit im italienischen Fernsehen, als es um die verheerenden Einschnitte bei der staatlichen Kulturfinanzierung in seiner Heimat ging. “Theater, Bibliotheken, Museen und Kinos sind wie viele kleine Aquädukte.”
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Engagement in Erdbebengebieten
Dass Musik in schweren Zeiten nicht nur trösten, sondern auch sozialen Zusammenhalt stiften kann, spürte er bei seinen Benefizkonzerten nach den jüngsten Erdbeben. Mit Tränen in den Augen wandte er sich 2009 nach der Aufführung von Schuberts ‘Tragischer Sinfonie’ dem dankbaren Publikum in der von einem Erdbeben zerstörten Stadt L’Aquila zu. Ebenfalls mit dem Orchestra Mozart eröffnete er dort mehr als drei Jahre später einen neuen Konzertsaal in Form eines Kubus, den der Architekt Renzo Piano entworfen hat.
Auch nach den schweren Beben in der Emilia Romagna im vergangenen Jahr war Abbado mit seinen Orchestern sofort zur Stelle, um Geld für die Restaurierung des historischen Teatro Comunale in Ferrara zu sammeln. Und im Oktober wird er im Nordosten Japans, über den vor über zwei Jahren ein Tsunami hinwegfegte, mit einigen seiner Musiker in einem mobilen Konzertsaal auftreten, der im Rahmen des vom Lucerne Festival initiierten Projekts ‘Ark Nova’ realisiert wird.
Sein Orchestra Mozart führt derweil in Bologna Projekte mit kranken Kindern und Strafgefangenen durch, während ein von Abbado angeregtes italienisches Jugendorchestersystem nach venezolanischem Vorbild landesweit das Musizieren für alle fördert. Zuvor hatte er mehrere Winter in Venezuela verbracht, um mit dem Nachwuchs von José Antonio Abreus 1975 begründetem ‘Sistema’ zu arbeiten. In dem südamerikanischen Land musizieren rund 400.000 Kindern und Jugendlichen miteinander, in Italien sind es im dritten Jahr inzwischen etwa 8000.
Neben Bildung liegt Abbado auch die Umwelt am Herzen. Auf Sardinien hat er auf einer Müllkippe ein Naturschutzgebiet geschaffen, das für alle Fußgänger und Fahrradfahrer frei zugänglich ist. Und in großen Städten wie Mailand, wo er vergeblich für 90.000 neue Bäume warb, plädiert der bekennende Nutzer sauberer Energien für weniger Autoverkehr. „Ich akzeptiere keine Grenzen und bin immer auf der Suche nach dem Neuen“, sagt er über sich. “Denn wenn man meint, alles zu wissen, ist das Leben schon vorbei.”
Corina Kolbe ist als freie Kulturjournalistin für Zeitungen und Magazine in Deutschland, der Schweiz und Italien tätig, u.a. Der Tagesspiegel, ZEIT Online, ARTE Magazin, Das Orchester, Berner Zeitung und Il Giornale della Musica. In den vergangenen Jahren hat sie zahlreiche Artikel veröffentlicht, die sich ausführlich mit Claudio Abbado, seinen Orchestern und seinem gesellschaftlichen Engagement befassen.
Die Fotografin Margherita Lazzati stellt am 27. Juni im Institut im Rahmen ihres Projektes ‘Musica in movimento’ eine Hommage an Claudio Abbado in einer Serie von Fotos aus, die bei einem Konzert von Claudio Abbado mit den Berliner Philharmonikern am 14. Mai 2011 entstanden.
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