Gentili lettrici e lettori,
quello che segue è l’introduzione al progetto BERLINER KLANGBILDER TRADITIONELLER MUSIK (Immagini sonore berlinesi di musica tradizionale). A tale progetto, del 1989 (oggi di grande valenza storica) ha partecipato l’etnomusicologo Hans Brandeis, collaboratore della nostra rivista.
Il testo lo proponiamo in lingua originale, in tedesco: a breve pubblicheremo anche la traduzione in italiano.
In den Jahren 1988-89 wurde am Internationalen Institut für Vergleichende Musikstudien und Dokumentation e. V. (IICMSD) in Berlin die Dokumentation „Berliner Klangbilder traditioneller Musik“, durchgeführt. Diese Einrichtung widmete sich seit dem Jahre 1963 der Aufgabe, die Musiktraditionen der Welt (mit Ausnahme der westlichen Kunstmusik) zu fördern, sie erhalten zu helfen, zu untersuchen und Kenntnisse über sie zu verbreiten. Bislang hat das Institut etwa 130 Schallplatten und Compact Discs („UNESCO- Kollektion Traditioneller Musik“) sowie Musikkassetten und Bücher zur Einführung in einzelne Musiktraditionen herausgegeben.
Es publiziert die Zeitschrift „The World of Music“ und organisiert Konzerte ausländi- scher Musiker, Vorträge, Workshops sowie alljährlich das „Festival traditioneller Musik“ in Berlin, das in Zusammenarbeit mit anderen deut- schen und europäischen Städten veranstaltet wird. Eine weitere Hauptaufgabe des Instituts liegt in der wissenschaftlichen Dokumentation außereuropäischer Musik und der europäischen Volks- und Populärmusik. Das Institut hat die Form eines gemeinnützigen Vereins und wird von der Stadt Berlin (West) unterstützt, bei einzelnen Projekten auch vom Auswärtigen Amt in Bonn.
Das Projekt „Berliner Klangbilder traditioneller Musik“ wurde in den Jahren 1988-1989 durchgeführt. Vorläufer des Projektes waren zwei ähnliche Studien, die von Max Peter Baumann, dem derzeitigen Direktor des Instituts, angeregt und im Rahmen von zwei Seminaren an der Freien Universität Berlin betreut worden waren. (1) Der Projektgruppe gehörten ausgebildete Ethnomusikologen (Edda Brandes, Schu-Chi Lee und Hans Brandeis, zeitweise auch Martha Brech und Maria Dunkel) an sowie eine Ethnologin (Krisztina Kehl).
Aufgabe der Projektgruppe war es, im Sinne einer musikalischen Regionalforschung („urban ethnomusicology“) die Arbeit in Berlin lebender Musiker zu dokumentieren. Für ein solches Projekt ist prinzipiell jede Art von Musikausübung von Interesse, denn es gilt für türkische Volksmusiker ebenso wie für Rock- und Jazzbands oder für das Orchester der Deutschen Oper: alle Musiker beziehen ihr Selbstverständnis nicht nur aus der Identifikation mit der Musik, die sie selbst machen, sondern auch aus der Abgrenzung von der Musik, die andere machen und die sie selbst nicht machen wollen. In diesem Sinne sind alle Arten von Musik im Spannungsfeld der Großstadt Berlin wie in einem vieldimensionalen Geflecht aufeinander bezogen und geben sich gegenseitig ihren besonderen Sinn.
Aus der Vielfalt unterschiedlichster Musikarten wurden jene ausge- wählt, die dem traditionellen Themenbereich der Ethnomusikologie zuzuordnen sind: außereuropäische Volks-, Kunst-, populäre und religiöse Musiktraditionen sowie europäische Volksmusiken, wie sie sowohl deutsche als auch ausländische Mitbürger in Berlin erlernen und in allen möglichen Mischformen ausüben (2) Im wesentlichen wurde die Arbeit von Musikern dokumentiert, die ihr Repertoire aus der mündlichen Überlieferung beziehen.
Manche der ausländischen Musiker sind bei ihren Landsleuten in Berlin ausgesprochen bekannt und beliebt, während kaum einer ihrer deutschen Mitbürger jemals von ihnen gehört hat. Daß diese besondere Musikszene aber existiert und daß sie in einem ganz beachtlichen Ausmaß ihren aktiven Beitrag zur Musikkultur in Berlin leistet, soll mit die- sem Projekt deutlich gemacht werden. Vor allem sollen diejenigen Musiker und Musiktraditionen, die in den Medien nur wenig Beachtung finden, einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden. Deshalb wurden die Bereiche des Jazz und des Rock sowie der der europäischen Kunstmusik im Rahmen des Projektes nicht berücksichtigt, da diesen bereits von anderer Seite Aufmerksamkeit und Förderung zuteil wird.
Die Mitarbeiter des Projektes „Berliner Klangbilder traditioneller Musik“ nahmen Kontakt mit über 150 Institutionen und Vereinen auf und dokumentierten über 50 ausgewählte Musikgruppen und Einzelmu- siker in Bild und Ton bei ihren musikalischen Aktivitäten. Von etwa 250 Musikstücken wurden – teilweise digitale – Tonaufnahmen gemacht. Darüber hinaus wurde mit jeder Gruppe ein ausführliches Interview von 85 Fragen durchgeführt (3)
Der Projektgruppe stand für die Dokumentation lediglich ein Zeit- raum von sechs Monaten zur Verfügung; und jene Vertreter einer in Ber- lin gepflegten Musikkultur, welche die Projektmitarbeiter als erste „entdeckten“ und als „hörenswert“ beurteilten, wurden auch als erste dokumentiert. Um die musikalische Vielfalt des Berliner Musiklebens möglichst breit zu erfassen, beschloß die Projektgruppe, zunächst nur einen einzigen Vertreter jeder Musikkultur in die Dokumentation aufzunehmen. Später wurden aus einigen Ländern (Griechenland, Persien, Ja- pan, Rußland, Deutschland, Karibik und Brasilien) weitere Interpreten dokumentiert. Von jeder Musikgruppe bzw. von jedem Einzelmusiker wurden mindestens fünf Musikstücke aufgenommen, von denen in der Regel jeweils zwei zur späteren Veröffentlichung ausgewählt wurden (4)
Die vorliegende Dokumentationsreihe „Klangbilder der Welt“ umreißt ein klangliches Panorama, das sich in Berlin in einer erstaunlichen Vielfalt präsentiert. Auf vier Musikkassetten wird eine Auswahl von 67 Musikaufnahmen vorgestellt, die alle 1988-1989 in Berlin aufgezeichnet wurden. Die 36 Interpreten stammen aus 29 Ländern, Regionen oder Kulturen. Sie wurden für die vorliegende Publikation vier Großregionen zugeordnet:
MC I: Vorderer Orient und orientalische Einflüsse in Europa [Kurdische Musik, Türkei, Syrien, Persien, Aserbaidschan, Griechenland, Jugoslawien]
MC II: Asien
[Afghanistan, Indien, Indonesien, Vietnam, China, Japan]
MC III: Europa
[Portugal, Italien, keltische Musik aus Frankreich, Polen, böh- mische Musik, Rußland, jiddische Musik, Minnesang und bayri- sche Musik aus Deutschland]
MC IV: Afrika und Lateinamerika
[Ghana, Senegal, Mexiko, Kuba, Karibik, Chile, Brasilien]
Die meisten Musikbeispiele auf diesen Musikkassetten sind 2-6 Minuten lang (das kürzeste 0 57 , das längste 13 37). Sie wurden so ausgewählt, daß sie einerseits für die vorgestellten Musikgruppen typisch sind, andererseits deren musikalische Bandbreite widerspiegeln. Vorwiegend handelt es sich um gesungene Lieder mit Instrumentalbegleitung sowie um einige reine Instrumentalstücke. Die Besetzungen reichen von Einzelmusikern bis hin zu Chören und Instrumentalgruppen mit 20-30
Mitgliedern. Musizieren ist ein dynamischer Prozeß ständiger Veränderung. Dies zeigt sich auch bei den hier vorgestellten Ensembles: mehrere von ihnen haben innerhalb der acht Monate, die seit den Aufnahmesitzungen vergangen sind, ihre Besetzung wesentlich verändert.
Manche der hier vorgestellten Gruppen bestehen ausschließlich aus Vertretern einer einzigen Kultur oder Nation, andere haben eine internationale Zusammensetzung. Die ausgewählten Tonaufnahmen machen deutlich, daß die Darbietungen mancher deutscher Musikspezialisten gemessen am Kriterium der Authentizität von denen „echter“ Vertreter der jeweiligen Musikkultur kaum zu unterscheiden sind.
Bei der Dokumentation waren deshalb weniger musikanalytische als vielmehr musik- soziologische Fragestellungen von Interesse: die Konfrontation verschiedener musikalischer Kulturen mit der besonderen Situation einer Großstadt, das Überleben und die Weiterentwicklung einer musikalischen Kultur innerhalb des fremden Kulturraums einer Wahlheimat und die Konfrontation der Musik der eigenen Kultur mit der einer fremden oder vieler fremder. Über das Medium Musik soll im interkulturellen Austausch das Verständnis vom Eigenen zum Fremden und vom Fremden zum Eigenen gefördert werden. In diesem Sinne will diese Publikation einen Beitrag leisten, die Isolation der verschiedenen kulturellen Gruppen in Berlin abzubauen.
Als vorläufiger Abschluß des Projekts „Berliner Klangbilder traditioneller Musik“ wird im März 1990 in Verbindung mit dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin eine Reihe von sechs Konzerten stattfinden. Zu- sätzliche Workshops und Diskussionsrunden sollen dem Dialog mit und zwischen den Musikern unter Betonung kulturpolitischer Aspekte dienen.
Als Fortsetzung des Projekts ist eine weitere Auswertung der Materialien geplant, wobei das theoretische Interesse vor allem dem musikali- schen Verhalten von Musikern gelten wird. Das Musizieren hat für jeden Musiker eine andere Bedeutung, wobei die Unterschiede in den Motivationen der Musiker und Musikgruppen zu unterschiedlichen musikalischen Verhaltensweisen führen. Aus diesen lassen sich aufgrund typischer Merkmale musikalische Verhaltensmodelle ableiten, z. B.: Weiterführung der Tradition, Rückbesinnung auf die Tradition, Anpassung der Tradition an veränderte Lebensbedingungen, Veränderung der Tradition zu einem Mittel der Veränderung der Lebensbedingungen, Aufgeben der Tradition u. a. Diese Verhaltensmodelle sollen in der weiteren Arbeit anhand des dokumentierten Materials überprüft werden.
Das Projekt „Berliner Klangbilder“ will jedoch nicht bei der Dokumentation des Berliner Musiklebens stehenbleiben, sondern über die Grenzen Berlins hinaus wirksam werden. Im Zusammenhang mit der Dokumentationsarbeit wurden Techniken der Feldforschung und Archivierung entwickelt. Hierzu gehören vor allem Techniken der Materialsammlung durch verschiedene Arten von Fragebögen und Aufnahmeprotokollen und Techniken der Materialarchivierung mit Hilfe von elektronischer Datenverarbeitung. Langfristig besteht das Konzept, diese Forschungstechniken im Rahmen von Partnerschaftsprojekten mit Institutionen in Ländern der sogenannten Dritten Welt weiterzugeben und durch Austausch von Erfahrungen weiterzuentwickeln.
1. Zu den Arbeitsergebnissen dieser beiden Seminare liegen zwei Veröffent- lichungen vor: Musikalische Streiflichter einer Großstadt. Gesammelt in Berlin von Studenten der Vergleichenden Musikwissenschaft, Berlin: Freie Universität Berlin 1979; Max Peter Baumann (Hrsg.): Musik der Türken in Deutschland, Kassel: Verlag Yvonne Landeck 1985. Zur Konzeption des Dokumentationsprojektes „Berliner Klangbilder tradi- tioneller Musik“ vgl. den Artikel von Max Peter Baumann: „The Musical Performing Group: Musical Norms, Tradition, and Identity“, in: The World of Music, Vol. 21 (1989), Nr. 2, S. 80-113.
2. Einen quantitativen Überblick über diese besondere Musikszene in Berlin wird Bernhard Bremberger in einem Handbuch geben, das sich in Vorbe- reitung befindet und das ebenfalls vom Internationalen Institut für Verglei- chende Musikstudien und Dokumentation herausgegeben werden wird.
3. Der verwendete Fragebogen ist in dem in Anm. 21 erwähnten Aufsatz von Max Peter Baumann (1989) vollständig abgedruckt.
4. Eine erste zusammenfassende Darstellung der Arbeit der Projektgruppe ist zu finden in: Brandeis, Hans; Edda Brandes; Maria Dunkel & Schu-Chi Lee: „Berliner Klangbilder traditioneller Musik“, in: Tagungsbericht der Kommission für Lied-, Musik- und Tanzforschung in der Deutschen Ge- sellschaft für Volkskunde, Köln (im Druck).
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